Pflege-Modellprojekt

Musik steigert die Lebensqualität von Demenzkranken

Februar 2021

Mit der steigenden Lebenserwartung wächst auch die Zahl der Menschen, die an Demenz erkranken. Die Betroffenen leiden darunter, ihre Alltagstätigkeiten immer weniger selbstständig ausüben zu können. Hinzu kommen häufig Veränderungen im Sozialverhalten, nachlassende Impulskontrolle, Antriebslosigkeit, Stimmungsschwankungen oder der Verlust des Wirklichkeitsbezugs. Gefühlszustände wie Depression, Angst oder Unruhe können die kognitiven Fähigkeiten zusätzlich beeinträchtigen. Dem Erhalt der Lebensqualität kommt deshalb eine zentrale Bedeutung zu. Wie Musik das Wohlbefinden steigern kann, untersucht ein vom GKV-Spitzenverband gefördertes Modellprojekt. Die nun präsentierten Zwischenergebnisse lassen aufhorchen.

Während sich eine medikamentöse Therapie der Demenzen bislang nicht abzeichnet, gewinnen nichtmedikamentöse Interventionen in der stationären und teilstationären Versorgung zunehmend an Bedeutung. Inwiefern diese Interventionen auch bei schwer demenzkranken Pflegebedürftigen Wirksamkeit entfalten, ist noch offen. Die Wirksamkeit kann sich darin zeigen, dass Fähigkeiten Demenzkranker erhalten werden, sie kann auch in ihrer gesteigerten Lebensqualität liegen.

Modellprojekt untersucht Reaktionen Demenzkranker auf Musik

In dem vom GKV-Spitzenverband geförderten Modellprojekt „Individualisierte Musik für Menschen mit Demenz“ untersucht ein Team unter Leitung von Prof. Dr. Gabriele Wilz (Universität Jena) das Potenzial von Musik für das Wohlbefinden demenziell Erkrankter in der stationären Pflege. In der randomisiert-kontrollierten Studie wird geprüft, ob Musik kognitiv eingeschränkten Menschen helfen kann, Emotionen auszudrücken, Stress abzubauen und Wohlbefinden zu erlangen. In der Folge würde dies die Lebensqualität steigern und soziale Partizipation ermöglichen. Dafür wird den an Demenz erkrankten Teilnehmenden regelmäßig Musik vorgespielt, die den individuellen Vorlieben entspricht und mit positiven Erfahrungen und Emotionen verbunden ist.

Zur Überprüfung der Wirksamkeit werden neben einer umfassenden Demenzdiagnostik zu vier Messzeitpunkten eine strukturierte Fremdbeobachtung sowie eine Speichelanalyse (Alpha-Amylase-Analyse) der Studienteilnehmenden eingesetzt. Für die Untersuchung wurden 130 Pflegebedürftige in fünf Pflegeheimen in Thüringen gewonnen.

Musikangebote gut in den Pflegealltag integrierbar

Von den Teilnehmenden weisen 59 Prozent eine schwere Demenz, 24 Prozent eine mittlere und nur 17 Prozent eine leichte Demenz auf. Während die Teilnehmenden der Kontrollgruppe die gewohnten Angebote erhielten, hörten diejenigen der Interventionsgruppe über sechs Wochen hinweg jeden zweiten Tag für 20 Minuten ihre Lieblingsmusik. Hierbei wurden sie von Mitarbeitenden des Projekts bzw. des Heims, ihren Angehörigen oder ehrenamtlichen Kräften begleitet. Als Zwischenergebnis der Untersuchung zeigte sich, dass das Musikangebot gut in den Heim-Alltag zu integrieren ist und eine hohe Akzeptanz bei den Demenzkranken erzielt. Die vom Pflegepersonal formulierten individuellen Ziele für die Teilnehmenden wurden in signifikantem Umfang erreicht. Entsprechend kam beispielsweise eine Teilnehmerin nun häufiger aus ihrem Zimmer in den Aufenthaltsraum, knüpfte mehr Kontakte, war kommunikativer und sang. Die während des Musikhörens erstellten Videoaufnahmen zeigen unterschiedliche Reaktionen auf die Musik: Neben konzentriertem, versunkenem Zuhören sind Selbstöffnung durch die Musik zu erkennen, das Erleben von Genuss und Wohlbefinden sowie geteilte und mitgeteilte Freude.

Das Angebot, regelmäßig die eigene Lieblingsmusik zu hören, kann offenbar einen neuen Weg in der Versorgung Demenzkranker weisen. Wenn es sich in der stationären Pflege als ein praktikables und wirksames Angebot für schwer Demenzkranke erweist, sollte seine Übertragung in die häusliche Versorgung aller demenziell Erkrankten ermöglicht werden.

Nähere Informationen zum Modellprojekt finden Sie hier. (che)

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