Kritisch zu bewerten ist auch, dass im Gesetzentwurf eine Regelung zur ebenfalls von der Großen Koalition angekündigten Neubestimmung der beitragspflichtigen Einnahmen der Beziehenden von Arbeitslosengeld II fehlt. Denn während die Herabsetzung der Mindestbemessungsgrenze für Selbstständige mit erheblichen Mindereinnahmen einhergehen wird, würden die Beitragszahlenden durch die im Koalitionsvertrag angekündigte schrittweise Einführung ausgabendeckender Beiträge für ALG II-Beziehende deutlich entlastet. Der GKV-Spitzenverband fordert daher, dass beide Maßnahmen möglichst zeitgleich in Kraft gesetzt werden.
GKV-Spitzenverband kritisiert Zwangsabbau der Kassenreserven
Als dritte Maßnahme enthält der Gesetzentwurf eine Neuregelung der Betriebsmittel– und Rücklagevorgaben für Krankenkassen sowie dezidierte Vorgaben zum Abbau vorhandener Finanzreserven. Die Bundesregierung will mit diesen Regelungen erreichen, dass einzelne finanzstarke Krankenkassen ihre Zusatzbeitragssätze zur Entlastung der Versicherten deutlicher senken, als sie dies bisher getan haben. Die Neubestimmung der zulässigen Obergrenze für Finanzreserven auf das 1,0-fache einer durchschnittlichen Monatsausgabe sowie die dezidierten Vorgaben zum Abbau gegenwärtig bestehender Finanzreserven, die diese neue Obergrenze übersteigen, stellen aber einen aus Sicht der GKV unsachgemäßen Eingriff in die Finanzautonomie der Krankenkassen dar. Zudem hält der GKV-Spitzenverband eine Obergrenze für Finanzreserven in Höhe des 1,0-fachen einer Monatsausgabe aus fachlicher Sicht für zu niedrig und sieht in dem angestrebten massiven Abbau der Finanzreserven ein voreiliges, wenn nicht falsches gesundheitspolitisches Signal. Aus Sicht des GKV-Spitzenverbandes sollten zunächst die Ausgabenwirkungen sowohl der Gesetzgebung der vergangenen Legislaturperiode als auch die zusätzlichen Ausgaben der im Koalitionsvertrag angekündigten Reformansätze eingehend evaluiert werden, bevor Krankenkassen zu vorschnellen Zusatzbeitragssatzsenkungen verpflichtet werden. Im Interesse der Beitragszahlenden sollte vermieden werden, dass nach einer Welle gesetzlich erzwungener Beitragssatzsenkungen nachfolgende Ausgabensteigerungen zeitnah erneut Beitragssatzerhöhungen notwendig machen. Im Unterschied zum Referentenentwurf ist im Gesetzentwurf vorgesehen, dass die Vorgaben zum Abbau der über den neuen Höchstgrenzen liegenden Finanzreserven nicht bereits 2019, sondern erst 2020 in Kraft gesetzt werden und dies auch nur dann, wenn zuvor der Risikostrukturausgleich gesetzlich weiterentwickelt wurde. Damit hat die Große Koalition partiell auf die vielfach erhobene Kritik an einem vorschnellen Finanzreserveabbau reagiert.
Darüber hinaus enthält der Gesetzentwurf Regelungen zum Abbau von Beitragsschulden bei ungeklärten freiwilligen Mitgliedschaften, eine Rechtsänderung zur Erhöhung des zulässigen Aktienanteils bei der Bildung des Deckungskapitals für Altersrückstellungen der Krankenkassen sowie ein neues Beitrittsrecht zur gesetzlichen Krankenversicherung für ausscheidende Soldatinnen und Soldaten auf Zeit.
Die weitere Debatte und mögliche Anpassungen sind nun dem parlamentarischen Verfahren vorbehalten. Die Bundesregierung wird den nicht zustimmungsbedürftigen Gesetzentwurf nunmehr dem Bundesrat zuleiten, der binnen sechs Wochen zur Gesetzesvorlage eine Stellungnahme abgeben kann. Über seine Stellungnahme wird der Bundesrat nach der Sommerpause, voraussichtlich am 21. September 2018, beschließen. Nachfolgend wird der Gesetzentwurf samt Stellungnahme des Bundesrates und der Gegenäußerung der Bundesregierung dem Bundestag zur 1. Lesung zugeleitet.