Hochrisikomethoden im Krankenhaus

Mehr Erprobungsstudien auf Kosten der Solidargemeinschaft

September 2021

So viele waren es noch nie: Letztes Jahr gingen beim Gemeinsamen Bundesauschuss (G-BA) zu acht Hochrisikomethoden Daten für eine Überprüfung gemäß § 137h SGB V ein. Im Vergleich dazu wurden zwischen 2016 und 2019 insgesamt nur für fünf solcher neuen Methoden Informationen übermittelt. Worauf ist dieser Anstieg zurückzuführen?

Obwohl der Titel es nicht gleich vermuten lässt, hat der Gesetzgeber 2019 mit dem Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) auch den § 137h geändert, der die Bewertung neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden mit Hochrisiko-Medizinprodukten im Krankenhaus regelt. Möchten Krankenhäuser zulasten der gesetzlichen Krankenkassen neue Methoden erbringen und beantragen hierfür eine höhere Vergütung, müssen gemäß §137h vorliegende Informationen zur Methode an den G-BA übermittelt werden. Je nach Datenlage entscheidet der G-BA dann innerhalb von drei Monaten, ob der Nutzen für die Methode belegbar ist oder nicht, wie folgende Übersicht illustriert.

Konsequenzen aus der Methodenbewertung nach § 137h

Kategorie § 137h seit 2019 Bedeutung/Konsequenz
Der Nutzen ist belegt. Die Methode wird in den Leistungskatalog aufgenommen, d. h. sie darf von den Krankenhäusern angewandt werden und wird von den Krankenkassen bezahlt.
Weder der Nutzen noch die Schädlichkeit oder die Unwirksamkeit ist belegt. Eine Erprobungsstudie ist notwendig und wird vom G-BA beauftragt.
Die Schädlichkeit oder die Unwirksamkeit ist belegt. Die Methode wird ausgeschlossen, d. h. sie darf von den Krankenhäusern nicht mehr angewandt und von den Kassen nicht mehr bezahlt werden.

Der geänderte § 137h: Die Potenzialhürde entfällt …

Die Zuordnung des Bewertungsergebnisses in drei Kategorien gibt es bereits seit Einführung des § 137h im Jahr 2015, jedoch wurden mit der Gesetzesänderung die Inhalte der Kategorien erneuert. Eine wichtige Änderung betrifft die Grundlage für die Erstellung von Richtlinien zur Erprobung (mittlere Kategorie). So müssen nun Erprobungsstudien durch den G-BA beauftragt werden, wenn für eine neue Methode aufgrund mangelnder Daten weder der Nutzen noch die Schädlichkeit oder Unwirksamkeit belegt werden kann. Bisher mussten Methoden mindestens ein „Potenzial“ haben, um für eine Erprobungsstudie in Frage zu kommen. Das heißt, es musste zumindest eine begründete Erwartung bestehen, dass die Methode für Patientinnen und Patienten nützlich sein könnte. Denn nicht alles, wozu es bisher keinen Nachweis einer Schädlichkeit gibt, ist automatisch auch nützlich. Im neuen § 137h entfällt diese Anforderung.

Grafik zur Anzahl der Hochrisikomethoden, zu denen Daten für eine Überprüfung durch den G-BA übermittelt wurden

… und Kostenträger von Erprobungsstudien ist nun der G-BA

Ein weiterer, nicht unerheblicher neuer Anreiz, der sich durch eine Änderung im § 137h für Herstellerunternehmen von Medizinprodukten und Krankenhäuser ergeben hat, ist die Finanzierung der Studie durch den G-BA — also aus Mitteln der Beitragszahlenden. Bisher war die Erprobung — zumindest zu einem angemessenen Teil — von Herstellern zu finanzieren.

Die Konsequenz dieser gesetzlichen Änderungen: aus Beitragsgeldern bezahlte Erprobungsstudien teurer Hochrisikomethoden — mit unklarem Ausgang und fraglicher Versorgungsrelevanz. Inwieweit die Versichertengemeinschaft von diesen Studien profitieren wird, bleibt abzuwarten. Zwar sind Bewertungen von Hochrisikomethoden im Krankenhaus für die Patientensicherheit unerlässlich, jedoch verschiebt sich durch die neue gesetzliche Regelung ein großer Kostenblock einer potenziellen Innovation in Richtung der Versichertengemeinschaft, anstatt wie bisher beim Herstellerunternehmen zu verbleiben. (lmb)

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