Serie: Qualitätssicherung für bessere Versorgung

Indikatoren messen Qualität bei Brustkrebs-Operationen

April 2021

Etwa 68.000 Frauen in Deutschland erkranken jährlich an Brustkrebs. Es handelt sich damit um die häufigste Krebserkrankung bei Frauen. In seltenen Fällen (etwa ein Prozent aller Brustkrebsfälle) erkranken auch Männer an Brustkrebs (RKI 2020). Bei der operativen Behandlung von Brustkrebs sollten alle Qualitätsanforderungen eingehalten werden – leider ist das nicht in allen Krankenhäusern immer der Fall. Die hier vorgestellten Qualitätsindikatoren überprüfen einen wichtigen Aspekt der Qualität bei der operativen Behandlung von Brustkrebs und zeigen an, welche Kliniken diese Anforderungen nicht einhalten.

Nicht jeder Brustkrebs fällt durch einen tastbaren Knoten auf – viele Krebsbefunde werden bei Mammografien oder Ultraschalluntersuchungen festgestellt. Vor der Operation eines solchen nicht tastbaren Befundes – unabhängig davon, ob es sich um einen gutartigen oder bösartigen Tumor handelt – sollte der auffällige Bereich exakt markiert werden. Üblicherweise erfolgt dies vor der Operation durch einen Draht, der unter Ultraschall- oder Röntgenkontrolle in der Brust platziert wird. Dadurch wissen die Chirurgin und der Chirurg während der Operation, welches Gewebe genau entfernt werden muss. Nach der Entfernung wird das entnommene Gewebe noch während der andauernden Operation mittels Ultraschall oder Röntgen kontrolliert. Die beiden Aufnahmen – vor und nach der Operation - werden miteinander verglichen. Nur so kann bei nicht tastbaren Befunden mit Sicherheit festgestellt werden, ob das in der Bildgebung auffällige Gewebe – und die Drahtmarkierung - vollständig entfernt wurden. Dieses Vorgehen entspricht dem medizinischen Standard, der in der entsprechenden Leitlinie beschrieben ist (Leitlinienprogramm Onkologie 2020). Wird auf solch eine Überprüfung verzichtet, erhöht sich das Risiko, dass verdächtiges Gewebe eventuell nicht vollständig entfernt wird. In der Konsequenz müssten die Patientinnen und Patienten erneut operiert werden. Diese unnötigen Eingriffe sind unbedingt zu vermeiden.

Ob dieses Ziel auch erreicht wird, messen zwei Qualitätsindikatoren. Sie unterscheiden sich in der Art der Bildgebung beim Einsetzen des Drahtes: Im Ultraschall sichtbare Auffälligkeiten im Gewebe werden ultraschallgestützt markiert. Bei Befunden, die nur mammografisch sichtbar sind, wird der Draht unter Röntgenkontrolle positioniert. Im Jahr 2019 betraf dies 26.632 bzw. 19.302 Patientinnen und Patienten (IQTIG 2020a).

Qualitätsindikatoren zeigen an, ob leitliniengerecht behandelt wird

Die Indikatoren zeigen, wie gut die Prozesse in einer Klinik organisiert sind und wie gut die Zusammenarbeit zwischen Chirurgie, Radiologie und Pathologie erfolgt. Die Bewertung der Indikatoren erfolgt anhand ihres Referenzwertes. Dabei handelt es sich um einen Schwellenwert, der einen Toleranzbereich umfasst. Wird dieser Toleranzbereich unterschritten, werden die Ergebnisse näher untersucht. Der Referenzwert für beide Indikatoren liegt bei mindestens 95 Prozent. Das heißt, wenn bei weniger als 95 Prozent der Patientinnen und Patienten mit einer Drahtmarkierung, die vor der Operation vorgenommen wurde, das entnommene Gewebe während der Operation kontrolliert wurde, wird das Krankenhaus auffällig. Das Krankenhaus muss dann erklären, warum es vom vorgegebenen Standard abgewichen ist. Die Indikatoren zeigen damit, ob in einer Abteilung leitliniengerecht gearbeitet wird.

Einige Krankenhäuser führen statt der Kontrolle durch Bildgebung mit Ultraschall oder Röntgen während der Operation allerdings nur einen sogenannten Schnellschnitt durch. Dabei wird das entnommene Gewebe während der Operation durch eine Pathologin oder einen Pathologen untersucht. Ein solcher Schnellschnitt wird lediglich bei bestimmten Anwendungsgebieten empfohlen. Bei nicht tastbaren Gewebeveränderungen soll ausdrücklich kein Schnellschnitt durchgeführt werden (Leitlinienprogramm Onkologie 2020).

Qualitätsanforderungen werden häufig erfüllt – aber nicht immer

Die beiden Qualitätsindikatoren werden schon seit Jahren in der Qualitätssicherung verwendet. Dementsprechend liegen die Ergebnisse der Indikatoren auf sehr hohem Niveau (siehe Tabelle) - das bedeutet, dass die meisten Kliniken die Anforderungen erfüllen. Im Durchschnitt über alle Kliniken lag das Ergebnis im Jahr 2019 der beiden Indikatoren bei über 98 Prozent und damit deutlich über den geforderten 95 Prozent.

Bundesweite Ergebnisse der Qualitätsindikatorengruppe „Intraoperative Präparatradiografie oder intraoperative Präparatsonografie bei Drahtmarkierung“

Allerdings gibt es große Unterschiede zwischen den Krankenhäusern. Hier fallen vor allem Kliniken negativ auf, bei denen weniger als 20 Patientinnen und Patienten in die Berechnung des Indikators eingingen. Darunter gab es auch noch im Jahr 2019 Kliniken, die diesen Standard in keinem der behandelten Fälle umsetzten. Einige Kliniken erfüllten diesen Standard dagegen immer.

In der Vergangenheit wurde deshalb für diese Indikatoren immer wieder besonderer Handlungsbedarf festgestellt. Seit dem Jahr 2017 werden die Indikatoren deshalb nicht mehr allein in der verpflichtenden externen Qualitätssicherung, sondern auch als planungsrelevante Qualitätsindikatoren bewertet (G-BA 2016). Hierbei gelten strengere Regeln bei der Auswertung, der Bewertung und den Konsequenzen (G-BA 2020). Es liegt nahe, dass die Ankündigung im Jahr 2016, dass diese Indikatoren ab 2017 planungsrelevant werden, zu einer sprunghaften Verbesserung der Ergebnisse bereits ab 2016 geführt hat. Im Erfassungsjahr 2017 wurde die Qualität in einem dieser beiden Indikatoren in 32 Krankenhausstandorten als unzureichend bewertet (G-BA 2018). Im Jahr 2018 verbesserten sich die Ergebnisse etwas. Nur noch bei 25 Krankenhäusern wurde die Qualität in einem der beiden Indikatoren als unzureichend bewertet (G-BA 2019). Aus den Stellungnahmen geht hervor, dass einige Krankenhausstandorte im Laufe des Jahres 2018 ihre Prozesse entsprechend den Leitlinienempfehlungen umgestellt haben und inzwischen auf hier nicht angebrachte Schnellschnitte verzichten (G-BA 2019). Dies bildet sich auch in den Ergebnissen für einen der beiden Indikatoren für das Erfassungsjahr 2019 deutlich ab. Die bundesweiten Ergebnisse haben sich im Vergleich zum Vorjahr statistisch signifikant verbessert (IQTIG 2020a).

Al­ler­dings gibt es nach wie vor - mit fast der Hälf­te der an der Aus­wer­tung teil­neh­men­den Kran­ken­häu­ser - er­staun­lich vie­le Kli­ni­ken, bei de­nen die Er­geb­nis­se der Qua­li­täts­in­di­ka­to­ren auf we­ni­ger als 20 Pa­ti­en­tin­nen und Pa­ti­en­ten be­ru­hen (sie­he Ab­bil­dung). Für die er­folg­rei­che Be­hand­lung von Brust­krebs sind je­doch meh­re­re As­pek­te es­sen­ti­ell: Das Kli­nik­per­so­nal soll­te gro­ße Er­fah­rung auf­wei­sen, es soll­ten die er­for­der­li­chen Struk­tu­ren vor­han­den und die kli­nik­in­ter­nen Pro­zes­se auf­ein­an­der ab­ge­stimmt sein. Zu­fäl­li­ge Ge­le­gen­heits­ver­sor­gung ist der kom­ple­xen Be­hand­lung nicht an­ge­mes­sen und ge­fähr­det die Ge­sund­heit der Pa­ti­en­tin­nen und Pa­ti­en­ten.

Die Abbildung zeigt die Anzahl der Krankenhausstandorte differenziert nach der Anzahl der Fälle, die in die Berechnung der Qualitätsindikatorengruppe „Intraoperative Präparatradiografie oder intraoperative Präparatsonografie bei Drahtmarkierung“ eingegangen sind.

Anzahl der Krankenhausstandorte differenziert nach der Anzahl der Fälle, die in die Berechnung der Qualitätsindikatorengruppe „Intraoperative Präparatradiografie oder intraoperative Präparatsonografie bei Drahtmarkierung“ eingegangen sind

Zusammenfassung

Die beiden Indikatoren betrachten einen wichtigen Ausschnitt der Qualität bei der operativen Behandlung von Brustkrebs. Der durch sie geprüfte Prozess ist schon seit über zehn Jahren als medizinischer Standard formuliert (Konzertierte Aktion Brustkrebs 2008). Damit kann die Vorgabe in der medizinischen Praxis als bekannt vorausgesetzt werden, fehlendes Wissen als Ursache für die mangelhafte Umsetzung kann nicht geltend gemacht werden. Die Ursachen für die vorhandenen Qualitätsdefizite liegen vielmehr in der fehlenden apparativen Ausstattung (keine Ultraschallgeräte vorhanden) und der fehlenden Expertise in den Häusern (IQTIG 2020b).

Mindestmenge für chirurgische Brustkrebshandlung notwendig

Es bleibt zu hoffen, dass einerseits die Ergebnisveröffentlichung im Rahmen der planungsrelevanten Qualitätsindikatoren und andererseits Gespräche der auf Landesebene zuständigen Behörden mit den Krankenhäusern dazu führen, dass weitere Kliniken ihre Prozesse umstellen, sodass alle Patientinnen und Patienten adäquat behandelt werden. Um Gelegenheitsversorgung jedoch sicher zu vermeiden, sollte eine Mindestmenge für die chirurgische Behandlung von Brustkrebs eingeführt werden. (dma, aks)

Literaturangaben

AQUA Institut (2015a) Qualitätsreport 2014 eingesehen am 05.01. 2021 unter https://sqg.de/upload/CONTENT/Qualitaetsberichte/2014/AQUA-Qualitaetsreport-2014.pdf

AQUA Institut (2015b) Bundesauswertung zum Erfassungsjahr 2014 eingesehen am 07.01.2021 unter https://sqg.de/downloads/Bundesauswertungen/2014/bu_Gesamt_18N1-MAMMA_2014.pdf

G-BA (2016) Gemeinsamer Bundesausschuss. Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Liste der Qualitätsindikatoren gemäß § 136c Abs. 1 SGB V: Liste planungsrelevanter Qualitätsindikatoren, eingesehen am 12.03.2020 unter https://www.g-ba.de/downloads/17-98-4313/2016-12-15_PlanQI-RL_Liste-planQI.pdf

G-BA (2018) Gemeinsamer Bundesausschuss. Ergebnisse zu den planungsrelevanten Qualitätsindikatoren. Bericht 2017. Eingesehen am 12.01.2021 unter https://www.g-ba.de/informationen/richtlinien/91/

G-BA (2019) Gemeinsamer Bundesausschuss. Ergebnisse zu den planungsrelevanten Qualitätsindikatoren. Bericht 2018. Eingesehen am 12.01.2021 unter https://www.g-ba.de/informationen/richtlinien/91/

G-BA (2020) Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses Richtlinie zu planungsrelevanten Qualitätsindikatoren (plan. QI-RL) in der Fassung vom 15. Dezember 2016 veröffentlicht im Bundesanzeiger (BAnz AT 23.03.2017 B2) in Kraft getreten am 24. März 2017 zuletzt geändert am 14. Mai 2020 veröffentlicht im Bundesanzeiger (BAnz AT 29.05.2020 B9) in Kraft getreten am 14. Mai 2020 eingesehen am 07.01.2021 unter https://www.g-ba.de/richtlinien/91/

IQTIG (2016a) Institut für Qualitätssicherung und Transparenz im Gesundheitswesen. Qualitätsreport 2015 eingesehen am 05.01. 2021 unter https://iqtig.org/downloads/berichte/2015/IQTIG-Qualitaetsreport-2015.pdf

IQTIG (2016b) Bundesauswertung zum Erfassungsjahr 2015 Mammachirurgie Qualitätsindikatoren eingesehen am 07.01.2021 unter https://iqtig.org/downloads/auswertung/2015/18n1mamma/QSKH_18n1-MAMMA_2015_BUAW_V02_2016-07-07.pdf

IQTIG (2017a) Institut für Qualitätssicherung und Transparenz im Gesundheitswesen. Qualitätsreport 2016 eingesehen am 05.01. 2021 unter https://iqtig.org/downloads/berichte/2016/IQTIG_Qualitaetsreport-2016.pdf

IQTIG (2017b) Bundesauswertung zum Erfassungsjahr 2016 Mammachirurgie Qualitätsindikatoren eingesehen am 07.01.2021 unter https://iqtig.org/downloads/auswertung/2016/18n1mamma/QSKH_18n1-MAMMA_2016_BUAW_V02_2017-07-12.pdf

IQTIG (2018a) Institut für Qualitätssicherung und Transparenz im Gesundheitswesen. Qualitätsreport 2017 eingesehen am 05.01. 2021 unter https://iqtig.org/downloads/berichte/2017/IQTIG_Qualitaetsreport-2017_2018_09_21.pdf

IQTIG (2018b) Bundesauswertung zum Erfassungsjahr 2017 Mammachirurgie Qualitätsindikatoren eingesehen am 07.01.2021 unter https://iqtig.org/downloads/auswertung/2017/18n1mamma/QSKH_18n1-MAMMA_2017_BUAW_V02_2018-08-01.pdf

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IQTIG (2019b) Bundesauswertung zum Erfassungsjahr 2018 Mammachirurgie Qualitätsindikatoren eingesehen am 07.01.2021 unter https://iqtig.org/downloads/auswertung/2018/18n1mamma/QSKH_18n1-MAMMA_2018_BUAW_V02_2019-07-23.pdf

IQTIG (2020a) Institut für Qualitätssicherung und Transparenz im Gesundheitswesen. Bundesauswertung zum Erfassungsjahr 2019 Mammachirurgie Qualitätsindikatoren und Kennzahlen Stand: 13.10.2020 eingesehen am 07.01.2021 unter https://iqtig.org/downloads/auswertung/2019/18n1mamma/QSKH_18n1-MAMMA_2019_BUAW_V04_2020-10-13.pdf

IQTIG (2020b) Institut für Qualitätssicherung und Transparenz im Gesundheitswesen. Qualitätsreport 2020 eingesehen am 05.01.2021 unter https://iqtig.org/downloads/berichte/2019/IQTIG_Qualitaetsreport-2020_2020-12-08.pdf

Leitlinienprogramm Onkologie (Deutsche Krebsgesellschaft, Deutsche Krebshilfe, AWMF): S3-Leitlinie Früherkennung, Diagnose, Therapie und Nachsorge des Mammakarzinoms, Version 4.3, 2020, AWMF Registernummer: 032-045OL, http://www.leitlinienprogramm-onkologie.de/leitlinien/mammakarzinom/ eingesehen am 07.01.2021 unter https://www.leitlinienprogramm-onkologie.de/fileadmin/user_upload/Downloads/Leitlinien/Mammakarzinom_4_0/Version_4.3/LL_Mammakarzinom_Langversion_4.3.pdf

Robert Koch-Institut (RKI) (2020) Zentrum für Krebsregisterdaten im Robert Koch-Institut in Berlin. Brustkrebs (Mammakarzinom) ICD-10 C50 Stand: 30.03.2021 eingesehen am 13.04.2021 unter https://www.krebsdaten.de/Krebs/DE/Content/Krebsarten/Brustkrebs/brustkrebs_node.html

Stufe-3-Leitlinie Brustkrebs-Früherkennung in Deutschland Aktualisierung 2008 Albert U.-S. (Hrsg.) für die Mitglieder der Planungsgruppe und Leiter der Arbeitsgruppen Konzertierte Aktion Brustkrebs-Früherkennung in Deutschland. W. Zuckschwerdt Verlag München, Wien, New York

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