stationäre Versorgung

Krankenhausreform: Die Eckpunkte stehen, doch vieles bleibt unklar

September 2023

Nach mehrmonatigem Ringen der Bund-Länder-Arbeitsgruppe wurden die Verhandlungen zu den Eckpunkten der Krankenhausreform am 10. Juli 2023 abgeschlossen. Diese bieten Ansätze für mehr Qualität und bessere Versorgung im Krankenhaus. Doch der Kompromiss birgt auch Risiken.

Mit dem Beschluss der Bund-Länder-Arbeitsgruppe ist ein wesentlicher Schritt für das Vorhaben des Ministers für eine Krankenhausreform gelungen. Den Eckpunkten haben 14 der 16 Länder zugestimmt. Bayern stimmte mit Nein, Schleswig-Holstein enthielt sich.

Wesentliche Inhalte

Vereinbart wurde, dass die Länder in der Verantwortung bleiben, bedarfsnotwendige Strukturen der stationären Versorgung sicherzustellen. Insgesamt sollen dafür 65 somatische Leistungsgruppen zur Verfügung stehen und für jede Leistungsgruppe bundeseinheitliche Qualitätskriterien definiert werden. Das heißt, Patientinnen und Patienten werden in Strukturen behandelt, welche die notwendigen Qualitätsanforderungen für eine Behandlung erfüllen. Die Reform soll in einer mehrjährigen Konvergenzphase umgesetzt werden. Ab 2026 soll die leistungsunabhängige Vorhaltefinanzierung zunächst budgetneutral eingeführt werden.

Leistungsgruppen ermöglichen bedarfsgerechte Planung

Mit der Krankenhausreform sollen sogenannte Leistungsgruppen eingeführt werden, welche jeweils ein Portfolio erbringbarer stationärer Leistungen abbilden. Sie dienen zukünftig der leistungsdifferenzierten Planung der Länder zur Sicherstellung einer qualitativ hochwertigen, flächendeckenden und bedarfsgerechten Krankenhausversorgung.

Hierzu werden in einem ersten Schritt die bestehenden somatischen Leistungsgruppen aus NRW übernommen und um fünf weitere Leistungsgruppen (Infektiologie, Notfallmedizin, spezielle Traumatologie, spezielle Kinder- und Jugendmedizin und spezielle Kinder- und Jugendchirurgie) ergänzt, das sogenannte NRWplus5. Die aus Sicht des GKV-Spitzenverbandes notwendige Weiterentwicklung und Ausdifferenzierung der Leistungsgruppen soll nachgelagert in einem mehrstufigen Prozess, auch unter Beteiligung des GKV-Spitzenverbandes, beauftragt werden können. Die Umsetzung ist per Rechtsverordnung mit Zustimmung im Bundesrat vorgesehen, sodass unklar bleibt, ob und in welchem Zeitraum eine notwendige Ausdifferenzierung mit den Ländern erreicht werden kann.

Auf einem Krankenhausflur laufen ein Arzt und eine Pflegerin.

Bundeseinheitliche Kriterien sichern Behandlungsqualität

Zur Sicherstellung der Qualität der Behandlung sollen für die Leistungsgruppen zukünftig bundeeinheitliche Qualitätskriterien gelten. Damit wird beabsichtigt, dass Patientinnen und Patienten sicher sein können, dass für die jeweilige Behandlung die notwendige medizinische Infrastruktur und personelle Kompetenz vorhanden ist. Der GKV-Spitzenverband begrüßt, dass neben der Sicherstellung einer flächendeckenden Versorgung auch die Qualität der Versorgung in den Fokus der Reform rückt, Spezialisierung gefördert und Gelegenheitsversorgung verhindert werden. Dafür wird es maßgeblich darauf ankommen, die Strukturanforderungen für die Leistungsgruppen in Ergänzung zu den weiterhin notwendigen Qualitätssicherungsmaßnahmen des Gemeinsamen Bundesauschusses zu regeln. Diese sind unbedingt zu erhalten.

Weitere Aufmerksamkeit sollte der Ausgestaltung der von den Ländern verhandelten Ausnahmetatbestände gelten. Diese Ausnahmen dürfen nicht zu einer flächendeckenden Verwässerung der Versorgungsqualität führen.

Vorhaltefinanzierung und DRG-Pauschalen

Zur Begrenzung medizinisch nicht notwendiger Mengenausweitung sollen die Krankenhäuser für das Vorhalten der stationären Infrastruktur eine Vorhaltefinanzierung erhalten. Diese wird nach einem budgetneutralen Jahr (2026) eingeführt und macht einen Anteil von 60 Prozent der Gesamterlöse eines Krankenhauses aus. Darin sind die Kosten für das Pflegepersonal enthalten. 40 Prozent der Erlöse werden weiterhin fallbezogen variabel vergütet. Durch eine entsprechende Absenkung der DRG-Vergütung kann insofern bei der Einführung der Vorhaltefinanzierung von einer ausgabenneutralen Umsetzung gesprochen werden.

Jedoch wurden im Eckpunktepapier nicht kalkulierbare, zusätzliche Finanzierungsaufgaben an die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) übertragen, weshalb die Reform insgesamt zu einer finanziellen Mehrbelastung der GKV führen wird. Unsicherheiten der Finanzwirkung ergeben sich unter anderem aus

  • den geplanten Zuschlägen für Vernetzung und für koordinative Aufgaben von Universitätskliniken und – Zitat aus dem Papier - „weiteren hierzu geeigneten Versorgern“,
  • den Zuschlägen für die Leistungsgruppen der Pädiatrie, Geburtshilfe, Notfallversorgung, Stroke Unit, spezielle Traumatologie und Intensivmedizin.

Auch der Übergang zur Selbstkostendeckung bei Level 1i-Häusern könnte zu erheblichen Belastungen der Beitragszahlenden führen. Der Bund hat bisher keine konkreten Zusagen gemacht, die Länder verpflichten sich nicht zur Finanzierung der in ihrer Verantwortung liegenden Investitionskosten. Nicht akzeptabel wäre es, diese Ausgaben der GKV zu übertragen.

Aus Sicht des GKV-Spitzenverbandes sollte im bevorstehenden parlamentarischen Prozess insbesondere dort nachgebessert werden, wo Versorgungsqualität und finanzielle Tragfähigkeit des Systems berührt sind.

Wie geht es nun weiter?

Zum Redaktionsschluss liegt noch kein Referentenentwurf aus dem Bundesministerium für Gesundheit (BMG) vor. Dieser sollte über den Sommer ausgearbeitet werden. Dabei werden Vertreterinnen und Vertreter der Länder Nordrhein-Westfalen (CDU), Baden-Württemberg (B90/Grüne), Hamburg (SPD) und Mecklenburg-Vorpommern (als Vertretung der ostdeutschen Bundesländer) sowie Fraktionsreferentinnen und -referenten der Ampel-Koalition in eine sogenannte Redaktionsgruppe des Ministeriums eingebunden. Anschließend soll das Vorhaben das parlamentarische Verfahren durchlaufen. Das Inkrafttreten ist weiterhin für den 1. Januar 2024 geplant. (rba)

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