Digitalisierung im Gesundheitswesen

Die ePA für alle – Auf dem Weg zur Widerspruchslösung bei der elektronischen Patientenakte

Februar 2024

Mit dem lange angekündigten und nun in der abschließenden Phase befindlichen „Gesetz zur Beschleunigung der Digitalisierung im Gesundheitswesen“ - kurz DigiG - beabsichtigt der Gesetzgeber die vollständige Neuausrichtung der elektronischen Patientenakte (ePA). Damit soll die dringend erforderliche Digitalisierung im Gesundheitswesen nun zügig einen großen Schritt nach vorne machen.

Ein kurzer Blick zurück: Im Jahr 2021 startete die ePA bundesweit als sogenannte Einwilligungslösung. Versicherte mussten dazu die Nutzung der ePA bei ihrer Krankenkasse im Sinne einer datenschutzrechtlichen Einwilligung beantragen. Drei Jahre nach Einführung sind die Zahlen jedoch ernüchternd: Laut „TI-Dashboard“ der gematik sind für ca. 73 Millionen GKV-Versicherte Ende 2023 gerade einmal etwa 1 Million solcher Akten eingerichtet. In der Versorgung spielt die ePA damit faktisch keine Rolle. Das Fazit: Die Einrichtung ist zu aufwändig für die Versicherten, auch die Nutzung bei den Leistungserbringenden ist – durch die erforderlichen Zugriffsfreigaben durch die Versicherten - zu kompliziert, die Unterstützung durch die Praxisverwaltungssysteme größtenteils zu wenig an den Nutzenden orientiert.

Widerspruch- statt Einwilligungslösung

Das DigiG ändert bei Inkrafttreten die Vorgehensweise hinsichtlich der ePA grundlegend: Anstelle der bisher erforderlichen Einwilligungen tritt nun der Widerspruch der Versicherten – häufig auch als Opt-Out bezeichnet. Was sich so einfach anhört, soll - so die Intention des Gesetzes - tiefgreifende Auswirkungen auf die Verbreitung und Nutzung der ePA haben: Wenn Versicherte künftig Elemente der ePA nicht nutzen wollen, müssen sie aktiv widersprechen - also eine Kehrtwende im Vergleich zum bisherigen Vorgehen. Der Widerspruch muss jederzeit möglich sein. Und: Versicherte können einen einmal getätigten Widerspruch dabei jederzeit zurücknehmen.

ePA wird automatisch eingerichtet und genutzt

Diesen Paradigmenwechsel setzt das DigiG konsequent um: Versicherte erhalten nach entsprechender Information durch die Krankenkasse die ePA automatisch ab dem gesetzlich vorgesehenen Einführungstermin, sofern sie dem nicht widersprechen. Der gesetzlich geplante und für die Krankenkassen sanktionsbewehrte Einführungstermin ist der 15. Januar 2025. Auch bei der Inanspruchnahme eines Leistungserbringenden gilt in der Regel: Widersprechen Versicherte der Nutzung der ePA durch Leistungserbringende nicht, können an der Behandlung einer Person unmittelbar beteiligte Leistungserbringende direkt auf die ePA zugreifen und somit Daten der ePA lesen und schreiben. PIN-Eingaben durch Versicherte in der Arztpraxis sind damit Vergangenheit. Leistungserbringende sind zudem verpflichtet, bestimmte anfallende Informationen im Behandlungsfall – den Zugriff auf die ePA vorausgesetzt – in der ePA zu aktualisieren. Dies sind beispielsweise Medikationsdaten, die zukünftig die ePA speichern soll, und nicht mehr die elektronische Gesundheitskarte.

Vielfältige Anwendungsfälle

Zudem unterstützt die ePA zukünftig auch medizinische Anwendungsfälle, die der Gesetzgeber festgelegt hat. Zum Start am 15. Januar 2025 ist dies der elektronische Medikationsprozess. Dabei übermitteln die für das E-Rezept verantwortlichen Dienste der Telematikinfrastruktur automatisch Verordnungs- und Dispensierinformationen in die ePA. Behandelnde Leistungserbringende haben somit stets die aktuelle Medikation ihrer Patientinnen und Patienten sektorenübergreifend im Blick – so das Ziel der Gesetzgebung. Die Weiterentwicklung der ePA sieht weitere Anwendungsfälle vor. Dies sind beispielsweise die elektronische Patientenkurzakte, die zukünftig auch EU-weit grenzüberschreitend nutzbar sein soll, oder aber die sektorenübergreifende Hinterlegung von Labordaten in der ePA.

Eine Frau gibt ihre Versichertenkarte an einem Tresen einer anderen Frau.

Zur Unterstützung der Forschung ist geplant, dass bestimmte Daten aus der ePA an das vom Bundesamt für Arzneimittel verantwortete Forschungsdatenzentrum übermittelt werden können. Auch hierfür sieht der Gesetzgeber eine Widerspruchslösung vor. Versicherte können somit frei entscheiden, ob ihre Daten zu Forschungszwecken nutzbar sein sollen.

Unterschiedliche Wege zur ePA-Verwaltung

Die ePA-App der jeweiligen Krankenkassen dient den Versicherten – wie bisher bei der Einwilligungslösung der ePA auch - als zentrale Schaltstelle für alle Belange im Zusammenhang mit der ePA. Über sie können die Versicherten insbesondere Inhalte der ePA einsehen, Daten in der ePA bereitstellen, die Zugriffe Dritter in den entsprechenden Protokollen prüfen sowie von ihren Widerspruchsrechten vollumfänglich Gebrauch machen. Personen, die keine App nutzen wollen oder dazu nicht in der Lage sind, können wie bisher auch auf Vertretungsregelungen und somit auf vertrauenswürdige Personen im Umgang mit der ePA zurückgreifen. Darüber hinaus schafft das DigiG für Versicherte die Möglichkeit, auf Ombudsstellen für die ePA bei den Krankenkassen zurückzugreifen. Diese Stellen nehmen beispielsweise Widersprüche der Versicherten gegen Anwendungsfälle der ePA, gegen die Datenweitergabe zu Forschungszwecken und gegen den Zugriff von Leistungserbringern entgegen. Die Ombudsstellen übermitteln des Weiteren auf Antrag die Protokolldaten an die Versicherten, die z. B. weder eine App noch die genannte Vertretung durch eine andere Person nutzen wollen.

Straffer Zeitplan für ehrgeizige Anpassungen

Die neuen Regelungen des DigiG ändern den Umgang mit der ePA von Grund auf. Für die Krankenkassen besteht derzeit die herausfordernde Aufgabe, in der relativ kurzen verbleibenden Zeit bis zum 15. Januar 2025 die umfassenden notwendigen Änderungen an der ePA vorzunehmen, um die Akte technisch von der Einwilligungs- in die Widerspruchslösung zu überführen. Auch für die Hersteller der bei den Leistungserbringenden eingesetzten Software läuft die Zeit – denn die Widerspruchslösung wird nur dann eine ePA für alle, wenn sie außer Versicherte auch die Leistungserbringer auf breiter Basis nutzen. Basis dafür sind angepasste Software-Systeme in den entsprechenden Einrichtungen. Und um dieses Ziel zu erreichen, ist die enge und koordinierte Zusammenarbeit von allen Akteuren unerlässlich. Die Zeit wird zeigen, ob das DigiG seinem ehrgeizigen Ziel der dringend erforderlichen Digitalisierung des deutschen Gesundheitswesens gerecht wird. Die gesetzliche Krankenversicherung setzt darauf, dass das gelingt. (mas)

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