AMNOG

Gesetz bremst medizinischen Fortschritt nicht aus

Februar 2024

Gefährdet das GKV-Finanzstabilisierungsgesetz (FinStG) die Versorgung mit neuen Arzneimitteln? Das zumindest behauptet die Pharmaindustrie (vgl. z. B. Pressemitteilungen des Verbands Forschender Arzneimittelhersteller (vfa) vom 19. Dezember 2023 und vom 10. Januar 2024): Im Jahr 2023 seien wegen des 2022 in Kraft getretenen GKV-Finanzstabilisierungsgesetzes (GKV-FinStG) weniger Arzneimittel in den deutschen Markt eingetreten.

Der vfa nimmt jedoch in ihren Behauptungen Bezug auf die gesamten Zulassungsaktivitäten der Europäischen Arzneimittel-Agentur EMA. Das geht weit über neue Wirkstoffe und das AMNOG-Verfahren hinaus, denn die EMA zertifiziert auch Impfstoffe, Generika, Biosimilars oder spezielle Methoden. Maßstab einer Verfügbarkeitsanalyse neuer Wirkstoffe können jedoch nur die Zulassungen für Arzneimittel sein, die potenziell bei Markteintritt den AMNOG-Regelungen und den diesbezüglichen Änderungen durch das GKV-FinStG unterfallen. Das tatsächliche AMNOG-Potenzial zeigt sich im roten Säulenteilabschnitt der Abbildung 1.

Entwicklungen der EMA-Zulassungen von 2011 bis 2023

Dass weniger Arzneimittel auf den deutschen Markt treten als im selben Jahr auf der europäischen Ebene bei der EMA zugelassen werden, ist ein wiederkehrendes Phänomen (siehe Abbildung 2, erkennbar an Verfügbarkeiten von unter 100 Prozent). Banaler Grund ist, dass das Inverkehrbringen eines Arzneimittels durch Entscheidungen der pharmazeutischen Unternehmen zeitverzögert nach der Zulassung erfolgt. Deutschland ist bei der Zugangsgeschwindigkeit zwar Spitzenreiter unter den OECD-Ländern, aber selbst in Deutschland liegt laut EFPIA WAIT-Indikator 2022 im Median ein Intervallzeitraum von 47 Tagen zwischen Zulassung und Markteintritt. Anders als in anderen Ländern gibt es in Deutschland keine staatliche Markteintrittshürde, die „Wartezeit“ beruht damit ausschließlich auf unternehmensseitigen Entscheidungen. Markteintritte unter 100 Prozent der Zulassungen gab es bereits in einer ganzen Reihe an Jahren - auch vor dem GKV-FinStG. In Folgejahren schwingt das Pendel dann oft auf über 100 Prozent (vgl. z. B. 2014, 2019, 2021 in Abbildung 2).

Vergleich der EMA-Zulassungen und Markteintritte in Deutschland zwischen 2011 und 2023

Dass die Zahl von Zulassungen und Markteintritten seit vielen Jahren schwankt, spiegelt die Langfristigkeit von Studienprogrammen, „Zulassungscluster“ aufgrund paralleler Forschung am selben Wirkprinzip oder krisenbegründet beschleunigte Forschungs- und Zulassungsaktivitäten wie in den Corona-Jahren (siehe Abbildung 1) wider – jedoch nicht ein deutsches Gesetz, das gerade erst verabschiedet wurde.

Fazit: Ein Ausbremsen des medizinischen Fortschritts durch das GKV-FinStG und damit eine Unterversorgung mit neuen Arzneimitteln ist nicht nachweisbar. (she, mes)

Bleiben Sie auf dem Laufenden