Arzneimittel-Zulassung

Schnellere Zulassung von Arzneimitteln - ein Vabanquespiel

Dezember 2016

Die europäische Zulassungsbehörde EMA bringt unter der Bezeichnung „Adaptive Pathways“ ein Konzept in die Umsetzung, mit dem neue Arzneimittel beschleunigt in den Markt gebracht werden sollen. Medizinische Versorgungslücken, z. B. eingeschränkte Therapiemöglichkeiten bei einer schweren Erkrankung, sollen rechtfertigen, dass Arzneimittel trotz wenigen Wissens zu Wirkungen und Nebenwirkungen zugelassen werden.

Erst im Nachgang sollen die Hersteller mit Daten aus der täglichen Versorgungsroutine nachweisen müssen, ob das Arzneimittel die in es gesetzten Erwartungen erfüllt. Konkrete Anforderungen der EMA, wie belastbare Aussagen zu Nutzen und Schaden des Arzneimittels gewonnen werden sollen, die mit der Güte klinischer Prüfstudien vergleichbar wären, fehlen jedoch.

Für Patientinnen und Patienten und deren behandelnde Ärztinnen und Ärzte bedeutet der Einsatz von noch unzureichend erforschten Arzneimitteln nicht nur eine Chance, sondern ein höheres Risiko. Der patientenrelevante Nutzen wie ein längeres Überleben, die Verringerung von Krankheitssymptomen, eine verbesserte Lebensqualität oder Vermeidung von Schäden bleibt möglicherweise für die Gesamtpatientengruppe dauerhaft unklar.

Eine Hand neben einer Arzneimittel-Kapsel

Der GKV-Spitzenverband sieht diese Entwicklung daher mit Sorgen, die er bereits im April 2016 öffentlich gemacht hat. Die seinerzeit geäußerten Befürchtungen werden durch Informationen aus dem jüngst veröffentlichten Abschlussbericht zum EMA-Pilotprojekt „Adaptive Pathways“ bestätigt.

Heilung darf nicht auf Kosten der Patientensicherheit gehen

Auch wenn die Hoffnung auf Heilung oder Linderung einer Erkrankung durch neue Arzneimittel verständlich ist, darf sie nicht damit erkauft werden, dass vom Grundsatz erwiesener Wirksamkeit und Sicherheit als Bedingung für die Marktzulassung abgewichen wird. Die heute geltenden Standards wurden nicht als Selbstzweck geschaffen, sondern entstanden als Reaktion auf Arzneimittelkatastrophen wie den Contergan®-Skandal in den 1970er Jahren oder verseuchte Blutkonserven in den 1980er Jahren. Auch darf nicht vergessen werden, dass viele Arzneimittel kurz vor Zulassung scheitern, weil sie die angenommene Wirksamkeit nicht belegen können. Eine Absenkung von Zulassungsstandards ist daher ein Vabanquespiel.

Bereits heute können Arzneimittel zur Behandlung lebensbedrohlicher oder schwere Invalidität hervorrufender Erkrankungen beschleunigt zugelassenen werden. Diese Zulassung wird unter der Auflage erteilt, fehlende Daten zu Wirksamkeit und Sicherheit nachzureichen; eine Auflage, der nach aktuellen Untersuchungen betroffene Unternehmen nur unbefriedigend nachkommen.

Der GKV-Spitzenverband spricht sich daher gegen eine noch häufigere Nutzung schneller Zulassungen aus. Mit dieser Auffassung steht der GKV-Spitzenverband nicht allein, er sieht sich vielmehr durch Stellungnahmen von Gesundheitswissenschaftlern, unabhängigen Arzneimittelbewertungsinstituten wie dem IQWiG, europäischen Verbraucherschutzorganisationen aber auch beispielsweise der BUKO-Kampagne bestätigt.

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