1. Kassenliquidität sichern durch Schutzschirmfunktion des Gesundheitsfonds
Krankenkassen verfügen mit dem Gesundheitsfonds über einen temporären Schutzschirm auf der Einnahmenseite. Die für das Jahr 2020 zugesagten Mittel von rd. 240 Mrd. Euro sind garantiert und werden die Kassen in monatlichen Teilzahlungen erreichen. Gleichwohl standen dem Gesundheitsfonds zu Beginn des Zuweisungsmonats April wesentlich geringere Mittel zur Ausschüttung an die Krankenkassen zur Verfügung. Denn durch das COVID-19-Krankenhausentlastungsgesetz hatte der Gesundheitsfonds zusätzlich kurzfristig die Vorfinanzierung der Schutzschirmzahlungen für die Krankenhäuser aus der Liquiditätsreserve zu leisten. Im Vergleich zur üblichen Zahlungsroutine erhielten die Krankenkassen somit zu Beginn des Zuweisungsmonats April unerwartet wesentlich geringere Zuweisungen.
Weitere Finanzierungsverpflichtungen des Gesundheitsfonds für staatlich zugesicherte Schutzschirme sowie geringere Beitragseinnahmen werden die Liquiditätslage des Fonds und damit absehbar die der Krankenkassen in den kommenden Monaten weiter belasten. Als Folge werden sich die Zahlungen des Gesundheitsfonds zu immer größeren Teilen zum Ende des Zuweisungsmonats hin verschieben – alles vor dem Hintergrund pandemiebedingt deutlich steigender Ausgaben vor allem im zweiten Halbjahr. Verstärkt wird das Liquiditätsproblem durch die neue Verpflichtung, Krankenhausrechnungen künftig früher begleichen zu müssen.
Zur Vermeidung drohender Liquiditätsengpässe ist daher der Mittelzufluss vom Gesundheitsfonds an die Krankenkassen zu stabilisieren, beispielweise durch ein auf den Beginn des Zuweisungsmonats vorgezogenes kurzfristiges Bundesdarlehen an den Gesundheitsfonds. Auch die temporäre Erlaubnis zur Aufnahme von kurzfristigen Kassenverstärkungskrediten wäre eine denkbare Lösung.
2. Keine Zusatzbelastungen durch neue versicherungsfremde Leistungen
Auf der Ausgabenseite belasten die Übernahme von versicherungsfremden Aufgaben des öffentlichen Gesundheitsschutzes Krankenkassen und Gesundheitsfonds. Hierzu zählen insbesondere nicht behandlungsbezogene Ausgaben für symptomunabhängige Tests auf Infektion oder Immunität. Zwar hat der Gesetzgeber grundsätzlich anerkannt, dass es sich hierbei um versicherungsfremde Leistungen handelt, und eine gewisse Kompensation in Aussicht gestellt. Doch der vage Verweis auf eine spätere Festlegung, in welchem Umfang die GKV zusätzliche Zuschüsse des Bundes erhalten soll, kann angesichts der anstehenden Haushaltsdebatten keineswegs beruhigen. Somit ist es zur spürbaren Entlastung der Krankenkassen und zur Sicherung ihrer Liquidität unabdingbar, dass die Aufwände für die Übertragung originär staatlicher Aufgaben - Maßnahmen der Gefahrenabwehr für die gesamte Bevölkerung - durch einen ausgabendeckenden Bundeszuschuss ausgeglichen werden.
3. Liquiditätshilfe an den Gesundheitsfonds und Auffüllung der Mindestreserve
Krankenkassen werden im laufenden Jahr pandemiebedingte Beitragserhöhungen nur dann weitgehend vermeiden können, wenn es dem Bundesamt für Soziale Sicherung (oder notfalls dem Gesetzgeber) durch kurzfristige gesetzliche Vorkehrungen gelingt, den unterjährigen Mittelzufluss vom Gesundheitsfonds an die Krankenkassen in gewohnter Weise sicherzustellen, und wenn gleichzeitig der Gesetzgeber einen steuerfinanzierten Ausgleich für die den Krankenkassen mit der jüngsten Gesetzgebung auferlegten versicherungsfremden Zusatzlasten sicherstellt. Dennoch wird sich die Lage schon zum kommenden Jahreswechsel dramatischer darstellen. Zur Vermeidung massiv steigender Beiträge im kommenden Jahr sind zwei weitere Maßnahmen geboten:
- Der Schutzschirm, den der Gesundheitsfonds durch die Übernahme des Einnahmenrisikos über die Krankenkassen spannt, wirkt nur unterjährig. Die hierfür einzusetzende Liquiditätsreserve wird aber im Verlauf des zweiten Halbjahres aufgrund der absehbaren Mindereinnahmen und neuen gesetzlichen Zahlungsverpflichtungen an Dritte aufgebraucht sein. Die Zahlungsfähigkeit des Gesundheitsfonds wird nach den gesetzlichen Vorgaben durch ein kurzfristiges Bundesdarlehen gesichert, welches zum 31.12.2020 zu tilgen sein wird. Um die Zahlungsfähigkeit der Krankenkassen im Dezember nicht zu gefährden, ist es daher dringend erforderlich, dass das Liquiditätsdarlehen des Bundes an den Gesundheitsfonds in einen nicht rückzahlbaren Bundeszuschuss umgewandelt wird.
- Neben der Verpflichtung zur Rückzahlung des Bundesdarlehens bis zum Jahresende entsteht nach derzeitigem Recht im neuen Haushaltsjahr die weitere Verpflichtung, die Liquiditätsreserve wieder aufzufüllen. Diese Auffüllung müsste aus den erwarteten Beitragseinnahmen finanziert werden und würde unmittelbar die Zuweisungen an die Krankenkassen für das Jahr 2021 reduzieren. Bei einer Größenordnung von rd. 4 bis 5 Mrd. Euro würden somit die Zusatzbeitragssätze allein schon deshalb um bis zu 0,3 Beitragssatzpunkte ansteigen müssen. Dies in einer Situation, in der die Zuweisungen für 2021 ohnehin deutlich geringer ausfallen werden, da ein konjunkturell bedingter Beschäftigungsrückgang die Einnahmenprognose massiv dämpfen wird. Will der Gesetzgeber für den Start ins neue Jahr zunehmende Belastungen für Arbeitgeber und Versicherte infolge steigender Beitragssätze zur Krankenversicherung vermeiden, so muss die Auffüllung der Mindestreserve zum 15. Januar 2021 durch einen entsprechenden Bundeszuschuss sichergestellt werden. Im Rahmen der Vorstellung des jüngsten Konjunkturpakets hat sich die Bundesregierung ausdrücklich zur Begrenzung der Sozialabgaben auf maximal 40 Prozent bekannt. Für uns ein starkes Signal, dass der Bundeszuschuss so weit angehoben wird, dass in der gesetzlichen Krankenversicherung auch 2021 von stabilen Beitragssätzen ausgegangen werden kann.
Bei aller Dramatik der gegenwärtigen Situation muss aber auch festgehalten werden, dass sich das Finanzierungssystem der GKV als stabil und funktionsfähig erweist. Die Zahlungsfähigkeit der Krankenkassen und somit die Sicherstellung der Versorgung der gesetzlich Versicherten, immerhin 90 Prozent der Bevölkerung, war trotz der pandemiebedingten Einnahmeneinbußen - dank gebildeter Rücklagen und in der Höhe garantierter Zuweisungen des Gesundheitsfonds - zu keiner Zeit gefährdet.