Finanzen

Entlasten statt Belasten - dringender Nachbesserungsbedarf beim GKV-Finanzstabilisierungsgesetz

September 2022

Die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) muss im kommenden Jahr eine Finanzlücke in Höhe von 17 Mrd. Euro schließen. Der Entwurf des GKV-Finanzstabilisierungsgesetzes stellt erneut eine schwerwiegende Einschränkung der Finanzhoheit der Selbstverwaltungsorgane dar. Die kurzfristige Konsolidierung der Finanzsituation sollte nicht durch eine einseitige Belastung der Beitragszahlenden erfolgen. Nachbesserungen sind dringend notwendig, wie auch der Verwaltungsrat des GKV-Spitzenverbandes in einer Resolution am 31. August 2022 betonte.

Beitragszahlende sollen die Hauptlast der Finanzierungslücke schultern

Die derzeitige Ausgestaltung des GKV-Finanzstabilisierungsgesetzes sieht vor, dass die Versichertengemeinschaft mit bereits erbrachten oder künftig deutlich erhöhten Beitragszahlungen die Hauptlast tragen soll. Sie schultern den Großteil der 17 Mrd. Euro Finanzierungslücke. Aus Sicht des GKV-Spitzenverbandes besteht daher dringender Bedarf für Nachbesserungen am Gesetzentwurf. Die GKV sollte kurzfristig finanziell stabilisiert werden, ohne die Beitragszahlenden zusätzlich zu belasten und ohne die Versorgung der Patientinnen und Patienten zu beeinträchtigen. Gerade vor dem Hintergrund der massiven Kostensteigerungen durch die drastisch gestiegenen Energiepreise muss jetzt alles getan werden, damit Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen nicht unnötig durch höhere Beiträge zusätzlich belastet werden.

Gesamtgesellschaftliche Verantwortung des Bundes für die Stabilisierung der GKV

Die eigentlich bereits im Koalitionsvertrag vereinbarten Maßnahmen würden einen wesentlich ausgewogeneren Beitrag zur Stabilisierung der Finanzsituation der GKV leisten. Für nachhaltige Lösungen braucht es eine saubere und korrekte Zuordnung von gesamtgesellschaftlichen Aufgaben und deren Finanzierung. Hier ist zu allererst die regelgebundene jährliche Dynamisierung der Bundesbeteiligung für versicherungsfremde Leistungen zu nennen. Die seit Langem diskutierte und längst überfällige Anhebung der unzureichenden Beitragspauschalen des Bundes für Langzeitarbeitslose würde die GKV mit rund 10 Mrd. Euro entlasten.

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Dauerhafte Stabilisierung der GKV einleiten – ergänzende Effizienzverbesserungen notwendig

Das Versäumnis der letzten Jahre, notwendige Strukturreformen vorzunehmen, um damit die GKV wirtschaftlicher zu gestalten, darf nicht zulasten der Beitragszahlenden gehen. Es ist daher angemessen, dass auch auf Seite der Leistungserbringenden Effizienzverbesserungen vorgenommen werden sollen, z. B. die Streichung der mit dem Terminservice- und Versorgungsgesetz eingeführten vertragsärztlichen Vergütung für die Behandlung von Neupatientinnen und ‑patienten. Diesen zusätzlichen Geldern für Ärztinnen und Ärzten steht kein erkennbarer patientenrelevanter Mehrwert gegenüber. Ebenfalls sinnvoll sind die vorgesehenen Regelungen zur Ausgabenbegrenzung in der Arzneimittelversorgung.

Allerdings sind die bisher geplanten Maßnahmen insgesamt nicht ausreichend. Die umfassende ökonomische Krisensituation erfordert durchgreifende Maßnahmen auch bei Leistungserbringenden, die teilweise auch in den Pandemiejahren Einnahmensteigerungen verzeichneten. Nicht zu rechtfertigen ist, dass für die Finanzierung von unwirtschaftlichen und ineffizienten Strukturen zusätzliche Beitragsmittel aufgebracht werden müssen. Für eine angemessene Lastenverteilung sind die Regelungen um wirksame Ausgabenbegrenzungen zu erweitern.

Verfehlter und risikobehafteter Zugriff auf die Finanzreserven

Der vorgesehene massive Eingriff in die Finanzautonomie der selbstverwalteten gesetzlichen Krankenversicherung ist verfehlt. Aus dem Zugriff auf die Finanzreserven und der Absenkung der Obergrenze folgen erhebliche Risiken für die Krankenkassen und mittelbar Haftungsrisiken für die GKV-Gemeinschaft. Damit werden den Krankenkassen Mittel entzogen, mit denen sie sonst auf kurzfristige Sonderbelastungen wie z. B. auf unvorhergesehene Entwicklungen aufgrund von Pandemie, Inflation oder Umlagen für Haftungsfälle reagieren und eine umgehende Anhebung des Zusatzbeitragssatzes so unter Umständen vermeiden.

Es liegt nun am Bundestag, die notwendigen Änderungen am Gesetzentwurf vorzunehmen, um eine nachhaltige Finanzierungslösung für die gesetzliche Krankenversicherung zu ermöglichen.

Die am 31. August 2022 vom Verwaltungsrat des GKV-Spitzenverbandes verabschiedete Resolution „Entlasten statt Belasten - Finanzierungslücke ohne Beitragsanhebung schließen" ist hier nachzulesen. (mag)

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