Psychiatrie

Schlechte Personalquote in Psychiatrien hält an

Juli 2024

Auch im vierten Jahr nach Einführung der Mindestpersonalvorgaben setzt über die Hälfte der Psychiatrien und der Kinder- und Jugendpsychiatrien (KJP) zu wenig Personal in der Behandlung ein. Dies zeigen die vom Institut für Qualitätssicherung und Transparenz im Gesundheitswesen (IQTIG) neu veröffentlichten Ergebnisse zum Umsetzungsstand der Richtlinie zur Personalausstattung in der Psychiatrie. Dieser Zustand gefährdet die Sicherheit der Patientinnen und Patienten.

Im dritten Quartal 2023 erfüllten 55 Prozent der Psychiatrien und 52 Prozent der Kinder- und Jugendpsychiatrien (KJP) die geltenden Mindestvorgaben an das therapeutische Personal nicht (IQTIG 2024). Eine Behandlung mit zu wenig Personal gefährdet die Patientensicherheit und verzögert die Genesung der schwer psychisch Erkrankten. Bedenklich ist der schlechte Umsetzungsstand außerdem, weil die Grundlage der aktuellen Personalmindestvorgaben die zuvor 30 Jahre geltenden Anforderungen der Psychiatrie-Personalverordnung (Psych-PV) sind. Diese wurden 2020 von der Richtlinie zur Personalausstattung in Psychiatrie und Psychosomatik (PPP-RL) abgelöst. Die PPP-RL wurde schrittweise eingeführt, so mussten in 2023 die Mindestpersonalvorgaben nur zu 90 Prozent erfüllt werden. Damit lagen die Vorgaben der PPP-RL noch unter den Vorgaben der lange geltenden Psych-PV, umso kritischer, dass weniger als die Hälfte der Einrichtungen die Vorgaben erfüllt.

Eine Psychiaterin spricht mit einer Patientin

Über- und Fehlversorgung in Deutschland?

Der vergleichende Blick in andere europäische Länder legt die Vermutung nahe, dass in Deutschland eine vollstationäre Über- und Fehlversorgung in der Psychiatrie stattfindet, die sich auch auf das Personal auswirkt. Im europäischen Durchschnitt gab es 1993 durchschnittlich 110 psychiatrische Krankenhausbetten auf 100.000 Einwohner (Watermann U, Neubert O (2021) Zu viele Betten. führen und wirtschaften im krankenhaus f&w 7/2021 S. 594-595). Der europaweite Trend zur Ambulantisierung der psychiatrischen Versorgung hat dazu geführt, dass es im Jahr 2021 nur noch 73 Betten pro 100.000 Einwohner waren. Völlig gegen diesen Trend ist in Deutschland die Zahl der psychiatrischen Betten weiter angestiegen auf zuletzt etwa 130 Betten pro 100.000 Einwohner (eurostat 2023).

Bisher wird der Großteil der erwachsenen Patientinnen und Patienten in Deutschland vollstationär behandelt. Eine multiprofessionelle Komplexbehandlung mit einer vorgegebenen Therapiedichte von mindestens 1,5 Stunden Therapie pro Woche wird jedoch nur in drei Prozent der stationären Fälle durchgeführt. Und obwohl fast alle Krankenhäuser tagesklinische Behandlung anbieten, werden weniger als 15 Prozent der Behandlungstage in Tageskliniken erbracht, siehe Tabelle 1:

Tabellarische Übersicht der Eckdaten der stationären, teilstationären und ambulanten Versorgung in Psychiatrien, Kinder- und Jugendpsychiatrien und Psychosomatik

Tageskliniken stehen besser da

Stationäre Behandlungen sind besonders personalintensiv und erhöhen deshalb den Personalbedarf. Das bildet sich auch in den Ergebnissen zur Einhaltung der Personalmindestvorgaben ab: Reine Tageskliniken erfüllten die Mindestvorgaben häufiger als Einrichtungen der Psychiatrie ohne reine Tageskliniken, siehe Abbildung 1:

Grafische Darstellung der Mindestpersonalvorgaben in Psychiatrien mit und ohne Tagesklinik bzw. reine Tageskliniken

Einhaltung der Personalvorgaben verbessert Arbeitsbedingungen

Hauptgrund für die Personalprobleme ist, dass in Deutschland das Potenzial ambulanter Behandlungen am Krankenhaus bei Weitem nicht ausgeschöpft wird. Um Personal aufzubauen und den bestehenden Personalbestand zu sichern, gilt es auch, attraktivere Arbeitsbedingungen zu schaffen – die Einhaltung der Mindestvorgaben trägt dazu bei. Vor allem in der Psychiatrie besteht ein großes Potenzial bei ausgestiegenen Pflegekräften oder Pflegekräften in Teilzeit, wieder einzusteigen oder aufzustocken. (aks/one)

Bleiben Sie auf dem Laufenden