Serie: Qualitätssicherung für bessere Versorgung

Bei der Brustkrebsbehandlung ist Patientenorientierung ein wichtiges Qualitätsmerkmal

Februar 2022

Brustkrebs („Mammakarzinom“) gehört zu den häufigsten Krebsformen bei Frauen. Durch verbesserte Behandlungsmöglichkeiten konnte in den letzten Jahrzehnten eine Verlängerung der Überlebenszeiten erreicht werden; auch konnten die Nebenwirkungen der Behandlungsregimes insgesamt vermindert werden1 2. Dennoch handelt es sich für die Patientinnen und Patienten immer um eine lebensverändernde Diagnose. Vielfach stehen verschiedene Behandlungsoptionen zur Verfügung, die gemeinsam zwischen Behandelnden und Erkrankten besprochen und bezogen auf die individuelle Situation abgewogen werden sollten. Die Qualität der Behandlung bemisst sich daher auch daran, ob Patientinnen und Patienten ausreichend Zeit hierfür zwischen der Diagnosestellung und dem Therapiebeginn bekommen. Ein entsprechendes Qualitätsmerkmal hat der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) im Rahmen der Qualitätssicherung definiert.

Jede achte Frau betroffen

An Brustkrebs erkrankt im Laufe ihres Lebens jede achte Frau3. Männer sind – wenn auch nur selten – ebenfalls betroffen. Für 2022 prognostiziert das Robert Koch-Institut jährlich etwa 67.000 Brustkrebs-Neuerkrankungen, davon 770 bei Männern4.

Mit zunehmendem Alter steigt das Risiko einer Brustkrebserkrankung. Zur Früherkennung gibt es daher altersabhängige Vorsorgeuntersuchungen. Frauen ab 30 Jahren können jährlich ambulant eine Tastuntersuchung der Brust durchführen lassen; zwischen 50 und 69 Jahren gibt es die Möglichkeit, alle zwei Jahre am Mammographie-Screening teilzunehmen5.

Bei einem auffälligen Befund in der Brust werden bildgebende Verfahren zur Diagnostik angewandt. Normalerweise handelt es sich hierbei um eine Mammographie (Röntgen der Brust) und eine Ultraschalluntersuchung. Je nach Befund in der Bildgebung wird die Indikation zur weiteren Abklärung gestellt. Diese Abklärung kann durch eine Gewebeentnahme, eine sogenannte Biopsie, entweder unter Ultraschall- oder unter Röntgenkontrolle durchgeführt werden. Bestätigt sich in der Biopsie die Diagnose Brustkrebs, sollte die weitere Therapie geplant und eingeleitet werden.

Qualitätsindikator „Zeitlicher Abstand von unter sieben Tagen zwischen Diagnose und Therapie“

Jede Patientin und jeder Patient sollte eine adäquate Brustkrebstherapie erhalten, die individuell auf den Befund und persönliche Faktoren abgestimmt ist. Die Behandlung eines Mammakarzinoms ist kein akuter Notfall und zu jedem Zeitpunkt sollte ausreichend Zeit für Entscheidungsprozesse eingeplant werden3. Dieser Aspekt wird in der Qualitätsmessung bei der Brustkrebsbehandlung mit dem Qualitätsindikator „Zeitlicher Abstand von unter sieben Tagen zwischen Diagnose und Therapie“ (QI-ID 51370) erfasst. Ziel des Indikators ist ein angemessen geringer Anteil an Patientinnen und Patienten, die nach der Diagnosesicherung in unter sieben Tagen operiert werden, von allen Patientinnen und Patienten mit neu diagnostiziertem Brustkrebs und operativem Eingriff. Der Qualitätsindikator soll also sicherstellen, dass ein hinreichend langer Abstand zwischen der Diagnosestellung und der operativen Therapie besteht.

Eine Krankenschwester assistiert einer Frau bei einer Röntgenuntersuchung

Ausreichend Zeit für Behandlungsentscheidung notwendig

Der Abstand soll der Patientin oder dem Patienten ermöglichen, sich mit der Diagnose auseinanderzusetzen. Dies kann beispielsweise durch Gespräche mit der Familie und Freunden oder durch Kontakt zu Selbsthilfeorganisationen erfolgen. Zudem erlaubt der Zeitraum die Einholung einer ärztlichen Zweitmeinung, wenn diese gewünscht wird. Ebenfalls ist das Zeitfenster für die Therapieplanung notwendig, für die auch die Ergebnisse weiterer Untersuchungen von Bedeutung sind, wie z.B. eine Ultraschalluntersuchung der Leber. Es stehen immer unterschiedliche Behandlungsregimes mit verschiedenen Vor- und Nachteilen zur Verfügung, über deren Wahl zu entscheiden ist.

Die Therapieplanung kann eine Vorstellung der erkrankten Person in einer Tumorkonferenz beinhalten, in der verschiedene beteiligte Fachdisziplinen gemeinsam individuelle Empfehlungen erstellen. Zudem gehört zur Therapieplanung die Besprechung und Festlegung der weiteren Behandlung gemeinsam mit der Patientin oder dem Patienten (partizipative Entscheidungsfindung, „shared decision making“)3.

Zusammenfassend ermöglicht ein hinreichend langer Abstand zwischen der Erstdiagnose einer Brustkrebserkrankung und der operativen Therapie, dass ausreichend Zeit für Betrachtung und Abwägung sehr relevanter Aspekte in der Behandlung zur Verfügung steht. Dieser Qualitätsindikator erfasst damit ein wichtiges Element der Behandlungsqualität und kann einen Hinweis darauf geben, dass Verbesserungspotenzial in einer Klinik bei der Behandlung von Brustkrebs besteht.

Qualitätsindikator weist auf Verbesserungen hin

Tabelle 1 zeigt die Ergebnisse der Bundesauswertungen der externen Qualitätssicherung des Gemeinsamen Bundesausschusses.

Dargestellt ist, bei wie vielen Patientinnen und Patienten die erwünschte Zeitfrist nicht eingehalten wird.

Die Ergebnisse zeigen über die Jahre eine kontinuierliche Verbesserung. Das Gesamtergebnis von aktuell ca. 3 Prozent an Patientinnen und Patienten, bei denen die Zeitfrist unterschritten wurde, ist als Ausdruck einer hohen Versorgungsqualität anzusehen, da auch zu berücksichtigen ist, dass Patientinnen und Patienten möglicherweise von sich aus auf eine rasche Therapie drängen.

Tabelle 1: Bundesergebnisse des Indikators „Zeitlicher Abstand von unter 7 Tagen zwischen Diagnose und Operation“

Jahr 2016 2017 2018 2019 2020
Bundesergebnis in Prozent 6,33% 5,18% 4,01% 3,31% 3,22%
Bundesergebnis in absoluten Zahlen 3.768/59.534 2.963/57.224 2.226/55.542 1.842/55.670 1.668/51.796
Quelle: Bundesauswertungen des IQTIG6  

Eine differenzierte Betrachtung der Ergebnisse zeigt jedoch seit Jahren geschlechtsspezifische Unterschiede (siehe Tabelle 2). Männliche Erkrankte werden häufiger innerhalb der Sieben-Tages-Frist operiert als Frauen, wenngleich die Bundesergebnisse für beide Geschlechter im Referenzbereich liegen.

Tabelle 2: Geschlechtsspezifische Bundesergebnisse des Qualitätsindikators „Zeitlicher Abstand von unter 7 Tagen zwischen Diagnose und Operation“

Jahr 2016 2017 2018 2019 2020
Bundesergebnis für weibliche Patientinnen in Prozent 6,29%
5,17% 3,99% 3,30% 3,21%
Bundesergebnis für weibliche Patientinnen in absoluten Zahlen 3.715/59.049 2.938/56.777 2.197/55.093 1.822/55.174 1.649/51.347
Bundesergebnis für männliche Patienten in Prozent 10,93% 5,39%
6,47%
4,04%
4,23%
Bundesergebnis für männliche Patienten in absoluten Zahlen 53/485 24/445 29/448 20/495 19/449
Quelle: Bundesauswertungen des IQTIG6    

Strukturierter Dialog

Trotz der insgesamt hohen Versorgungsqualität lassen sich Unterschiede zwischen den Krankenhäusern feststellen. Es wurden einige Häuser identifiziert, bei denen Verbesserungspotenzial festgestellt wurde und für die Qualitätsverbesserungen erforderlich erscheinen.

Im sogenannten Strukturierten Dialog, einem Austausch zwischen Krankenhäusern und den jeweils für die Qualitätssicherung beauftragten Stellen auf Landes- bzw. Bundesebene, werden die Ergebnisse der einzelnen Kliniken betrachtet. Falls Ergebnisse einzelner Krankenhäuser vom festgelegten Referenzbereich abweichen – sogenannte rechnerisch auffällige Krankenhäuser -, wird die Klinik im Regelfall um eine Begründung für die Abweichung gebeten. Dieses Vorgehen soll sicherstellen, dass besondere Gründe für die Abweichung berücksichtig werden können. Falls die Darstellung des Krankenhauses keine hinreichende Begründung für die Abweichung zeigt, erfolgt eine Einstufung als „qualitativ auffälliges Krankenhaus“. Bei dieser Einstufung werden weiterführende Maßnahmen eingeleitet, um die Qualität zukünftig in diesem Haus bezüglich dieses Indikators zu verbessern.

Im Jahr 2019 wurde bei 73 von 660 Krankenhäusern eine Abweichung vom Referenzbereich festgestellt, d.h. dass in diesen Krankenhäusern bei mehr als 13,5 Prozent der Patientinnen und Patienten die Frist nicht eingehalten wurde. Aber lediglich bei vier dieser Krankenhäuser wurde nach Abschluss der Analysen im Strukturierten Dialog eine „qualitative Auffälligkeit“ festgestellt, d.h. dass dort an der Verbesserung der Patientenzentrierung und im Hinblick auf die Berücksichtigung von Patientenbedürfnissen gearbeitet werden muss.

Patientenbedürfnisse im Blick

Der Indikator hat einen besonderen Stellenwert, da er die Qualitätsdimension der Patientenzentrierung anspricht7. Die meisten anderen aktuellen Qualitätsindikatoren betrachten vor allem die Dimensionen der Sicherheit (Vermeidung unerwünschter Ereignisse) sowie der Effektivität (Erreichen primärer Behandlungsziele). Diese Indikatoren sind ohne Zweifel von großer Bedeutung. Dennoch erfordert eine umfassende Qualitätsbetrachtung gerade auch die Erfassung der Ausrichtung der Behandlung auf die individuellen Bedürfnisse von Patientinnen und Patienten.

Um die Möglichkeiten der Erfassung einer patientenzentrierten Versorgung zu verbessern, sollen zukünftig auch Patientenbefragungen ein wichtiges Instrument der externen Qualitätssicherung werden. Das Institut für Qualitätssicherung und Transparenz im Gesundheitswesen (IQTIG) hat bereits erste solche Befragungen erarbeitet, die voraussichtlich ab 2023 eingesetzt werden können.

Kliniksuchmaschinen im Internet

Die Ergebnisse der Qualitätssicherung – auch für die „Patientenorientierung bei der Brustkrebsbehandlung“ - sind über sogenannte Kliniksuchmaschinen für jedes Krankenhaus in Deutschland abrufbar. Die Krankenkassen bzw. ihre Verbände und andere Organisationen bieten solche Kliniksuchmaschinen auf ihren Internetseiten an. Eine Übersicht ausgewählter Links zu den veröffentlichen Ergebnissen in den Qualitätsberichten der Krankenhäuser finden Sie auf der Homepage des G-BA.

Über die Serie

Patientinnen und Patienten sollen sich darauf verlassen können, dass sie in Krankenhäusern, Arzt- und Zahnarztpraxen qualitativ hochwertig und auf dem neuesten Stand wissenschaftlicher Erkenntnisse versorgt werden. Daher hat der Gesetzgeber verschiedene Maßnahmen der Qualitätssicherung vorgesehen, zum Beispiel, welche technische Ausstattung und Qualifikationen von Ärzten, Ärztinnen und Pflegepersonal notwendig sind (Strukturqualität), wieviel Erfahrung und Expertise vorhanden sein sollte (Mindestmengen), wie die Versorgungsprozesse optimal gestalten werden können (Qualitätsmanagement) und auch, dass über Behandlungsergebnisse (Ergebnisqualität) öffentlich berichtet werden muss (Qualitätsberichte Krankenhäuser). So können die Patientinnen und Patienten sich über die Qualität informieren und diese bei der Wahl z. B. eines Krankenhauses für einen bestimmten Eingriff berücksichtigen. Für die Umsetzung dieser Vorgaben hat der Gesetzgeber den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) damit betraut, durch Richtlinien und Beschlüsse verbindliche Regelungen für die Krankenhäuser, Arzt- und Zahnarztpraxen aber auch für die Krankenkassen zu erlassen. Der GKV-Spitzenverband ist als ein Träger des G-BA in den jeweiligen Gremien und Arbeitsgruppen des G-BA an der Ausgestaltung und Umsetzung der gesetzlichen Anforderungen an die Qualitätssicherung maßgeblich beteiligt und setzt sich insbesondere dafür ein, die Qualität der Behandlungen für die gesetzlich Versicherten sichtbar zu machen. Die gesetzlichen Vorgaben und Richtlinien des G-BA sind jedoch oftmals schwer zu verstehen, und Qualitätsergebnisse nicht einfach in ihrer Bedeutung zu bewerten. Daher stellen wir in jeder Ausgabe von 90 Prozent einen bestimmten Aspekt der Qualitätssicherung ausführlich vor, um einerseits das wichtige Thema Qualitätssicherung bekannter zu machen und andererseits Hilfestellung zu bieten, die Ergebnisse besser zu verstehen.

Quellen

1. Mokhatri-Hesari P, Montazeri A. Health-related quality of life in breast cancer patients: review of reviews from 2008 to 2018. Health Qual Life Outcomes 2020; 18: 338

2. Smith BD, Jiang J, McLaughlin SS et al. Improvement in breast cancer outcomes over time: are older women missing out? J Clin Oncol 2011; 29: 4647-4653

3. Leitlinienprogramm Onkologie (Deutsche Krebsgesellschaft DK, AWMF),. S3-Leitlinie Früherkennung, Diagnose, Therapie und Nachsorge des Mammakarzinoms, Version 4.4. 2021. http://www.leitlinienprogramm-onkologie.de/leitlinien/mammakarzinom/ (Zugriff: 25.10.2021)

4. Robert Koch-Institut. Krebs in Deutschland für 2017/2018. Stand: Berlin, 2021.: https://www.krebsdaten.de/Krebs/DE/Content/Publikationen/Krebs_in_Deutschland/kid_2021/krebs_in_deutschland_2021.pdf?__blob=publicationFile (Zugriff: 14.01.2022)

5. Gemeinsamer Bundesausschuss (G-BA). Krebsfrüherkennungs-Richtlinie (KFE-RL). Stand: 18.06.2021. https://www.g-ba.de/downloads/62-492-2238/KFE-RL_2020-06-18_iK-2020-08-28.pdf (Zugriff: 09.11.2021)

6. Institut für Qualitätssicherung und Transparenz im Gesundheitswesen (IQTIG). QS-Verfahren Mammachirurgie. https://iqtig.org/qs-verfahren/mamma/ (Zugriff: 11.11.2021)

7. Arah OA, Westert GP, Hurst J et al. A conceptual framework for the OECD Health Care Quality Indicators Project. Int J Qual Health Care 2006; 18 Suppl 1: 5-13

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